Tag Sechs

Am sechsten Tag dann fahren wir nach Tel Aviv mit den Zwischenstationen Akkon, Cäsarea und Haifa. Akkon, die Kreuzfahrerstadt beeindruckt durch alte Burganlagen mit erst kürzlich entdeckten Geheimgängen zum Hafen, durch die wir auch vorsichtig hindurchgehen - die Kreuzritter hatten damals eine kleinere Körperstatur. Die alten, imposanten Hallen einer Festung, die ebenso erst vor ein paar Jahren vom Schutt befreit wurden, lassen die Forschung momentan über das christliche Leben an diesem Ort genauso wie unsere Fantasien beim Beschreiten der Gemäuer richtig aufleben. Akkon und die Nachbarstadt Haifa, die wir danach besuchen, sind übrigens die heiligen Städte der Bahai. Die riesigen Gartenanlagen und Schreine dieser aus dem Islam entstandenen neuzeitlichen Religion liegen auf den Hängen Haifas, direkt in bester Lage neben der Altstadt. Da die Bahais zwar aus Persien stammen, jedoch vor allem in Indien beheimatet sind, und sich sehr weit vom Islam entfernt haben, wirkt diese Religion seltsam deplatziert in Israel. So, als hätten die Mormonen ihren höchsten Wallfahrtsort in Berlin-Kreuzberg etwa. Aber hier in Israel, zumal in der sehr multikulturellen Stadt Haifa, passt es sich dann doch ein in die religiöse Vielfalt dieses Landes. Es geht weiter die Küste nach Süden. In Cäsarea erleben wir eine stürmische See, einen kräftigen Wind - ein ganz neues Gefühl. Hier in dieser Stadt, die am historischen Caesarea Maritima mit seinem römischen Amphitheater entstand, leben vor allem wohlhabende Israelis. Es liegt halt weit genug entfernt von den Grenzgebieten und genau richtig zwischen Haifa und Tel Aviv.

Für den Rest der Welt ist nicht Jerusalem die Hauptstadt, sondern Tel Aviv-Jaffa. Das verwundert überhaupt nicht; nicht nur aus politischer Sicht, sondern auch kulturell liegen nunmal zwischen den beiden größten Städten des Landes Welten. Während die heilige Stadt zutiefst religiös geprägt und so gut wie nichts an Industrie und Handel vorhanden ist, geschweige denn etwa Nacht- oder Szeneleben, steppt der Bär im modernen Tel-Aviv. Alle Welt trifft sich in Jerusalem zum Beten, während beim kosmopolitischen Partyvolk und den Fondsmanagern rund um den Globus die 60 Km entfernte Mittelmeermetropole en vogue ist. Und hier also verbringen wir unsere letzten beiden Tage. Das erste, was mir begegnet, ist auch gleich etwas zutiefst Heidnisches: die Wunschbrücke. Man kann sein Sternzeichen am Geländer berühren und sich beim Blick auf das Meer etwas wünschen, was dann in Erfüllung gehen soll. Ich wünsche mir, dass ich noch dieses Jahr erfolgreich meine akademischen Projekte angehen kann und denk dabei an meine Bewerbung beim DFG-Kolleg. Als mir dann noch ein zweiter Wunsch einfällt, merke ich, dass meine Hand schon nicht mehr auf dem Sternzeichen liegt. Karriere also gesichert - neue Liebe aussichtslos.